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Wenn das Trauma anklopft

Über den Schlüssel zu Heilung und Frieden.

Wer überwältigende Gefühle erlebt, glaubt, dass diese weggehen oder irgendwie geheilt werden müssten, um wieder glücklich zu sein, doch das stimmt nicht. Gefühle wollen nicht geheilt, sondern gefühlt werden. Dazu bereit zu werden, ist der Schlüssel.

Weiter unten: Links zu den Themen, vollständige Abschrift

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Über dieses Video:

Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen: der Tag vor etwa 26 Jahren, als ich zum ersten Mal Besuch bekam von Gefühlen, wie sie mir bis dahin vollkommen unbekannt waren. Das war der Tag, an dem mein Kindheits-Trauma anklopfte und sagte: "Hallo. Hier bin ich".

Damals dachte ich zunächst, ich hätte nun ein riesiges Problem, doch ich fand heraus, dass das Gegenteil stimmt: wenn sich das Trauma beginnt zu zeigen, sind wir dafür bereit geworden, obwohl wir zunächst gar nichts davon wissen. Es ist fast so, als sei die Hauptarbeit schon getan, einfach, indem wir lebten. Deshalb ist es ein Geschenk, wenn die alten Gefühle sich endlich zeigen, auch wenn es sich zunächst einmal ganz anders anfühlt.

Trauma ist in Wirklichkeit keine Tragödie, sondern ein segensreicher Mechanismus, der erst dann ein Problem ist, wenn er nicht richtig verstanden wird. Auch die damit einhergehenden Gefühle sind keine Probleme, sondern geniale Lotsen für unsere Aufmerksamkeit: einfach, indem man sich ihnen mit Liebe und Geduld zuwendet, geschieht in uns die Heilung, genau dort, wo sie nötig ist. Doch nur wenige Menschen wissen davon. In diesem Video erzähle ich von diesem Schlüssel zu Heilung und innerem Frieden.

Links zu den Themen in diesem Video:

(weiter unten gibt es die vollständige Abschrift).

  1. Wie man das alte Trauma nicht wieder reinszeniert

  2. Die Quelle des unbekannten Schmerzes

  3. Wie trauert man?

Vollständiger Text zum Mitlesen:

Wie man das alte Trauma nicht wieder reinszeniert

Guten Morgen.

Heute Morgen möchte ich über ein Thema sprechen, das sehr, sehr viele Menschen bewegt und berührt. Ich möchte heute morgen über Trauma sprechen und über Schmerz.

Ich kenne keinen einzigen Menschen, der sich freiwillig auf den spirituellen Weg gemacht hätte. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der sich freiwillig auf den Weg zu sich selbst gemacht hat, einschließlich mir selbst.

Normalerweise sind es unsere inneren Schmerzen, diese unerklärliche Verzweiflung, die manch einer in sich beginnt zu spüren, und man weiß nicht, was man damit tun soll. Und dann beginnt man, sich selbst kennenzulernen, dann beginnt man, näher hinzuschauen, vorher nicht.

Und dann versuchen wir zu verstehen, wo das herkommt.

Die klassische Herangehensweise ist, herauszufinden, wie dieser Schmerz entstanden ist, diese Verzweiflung, diese Gefühle, die wir da entdecken, weil wir glauben: wenn ich nur verstehen könnte, warum ich mich so fühle, dann wird alles gut. Darum geht es natürlich überhaupt nicht, aber auf diesem Weg des Entdeckens und des Verstehens, fast unbeabsichtigt sozusagen, schließen wir Freundschaft mit den Gefühlen, gewöhnen wir uns an sie, werden vertraut mit ihnen, und dadurch kommen wir auch unbeabsichtigt uns selbst ein Stück näher. Und das ist, warum letztlich Heilung geschieht.

Ich möchte dieses Video damit beginnen, den Brief einer Frau vorzulesen, die mir von ihrem Erleben auf diesem Weg des Entdeckens und des Verstehens berichtet.

"Lieber Mikael, ich danke dir sehr, dass du mich zu Samarpan-Meditation abgeholt und neu inspiriert hast. Jetzt, wo meine Beziehung fast zu Ende zu sein scheint, sehe ich überdeutlich, dass sie größtenteils eine Reinszenierung meines traurig-kargen Verhältnisses meiner Kindheit zu meinem Vater war. Vater war unglücklich eingebaut in die Entstehung der Traumatisierung in meinem ersten Lebensjahr.

Er brachte mich damals ins Krankenhaus, in dem ich zwei Wochen lang allein zur Beobachtung behalten wurde, in Sorge vor vermeintlicher Epilepsie, umgeben von anderen verzweifelten, entwurzelten und ständig bitterlich weinenden Kindern. Seine eigene Traumatisiertheit verhinderte dann, dass er mich danach einfach mal ganz lang in den Arm genommen hätte. Das ist jetzt fünfundvierzig Jahre her.

Meine Eltern erzählten mir dreißig Jahre lang nichts davon, und erst durch holotropes Atmen entdeckte ich, dass da etwas frühkindlich gewesen sein muss, und so fragte ich so lange nach, bis die Erklärung von meinem Vater kam. Das war wie ein Raum in mir, in den endlich Luft kam. Ich habe diese Einjährige unterdessen mit der Hilfe meiner Traumatherapeutin an einen sicheren Ort in mir geleitet, da sie bis dahin häufig unverständlich und unerklärlich in mein Leben krachte.

Seitdem ist da mehr Frieden. Ich bin oft nicht in der Lage zu sagen, was ich will und was ich schätze. Oft komme ich mir wie ferngesteuert vor, besonders von den Wünschen der Mutter. Im Grunde fühle ich mich schrecklich einsam und irgendwie sozial verhindert. Nun bin ich also auf der Suche herauszufinden, wie ich wirklich bin, und dabei all dieses Ur Trauma endlich in Heilung zu geleiten. Es ist wie eine späte Selbstentdeckung.

Aber wie ich dem unbewussten Reinszenieren dieses alten Traumas entgehen kann, außer mit täglicher Meditation, die sehr guttut, ist mir noch unklar, wenngleich es mein tiefer Wunsch ist, die frühe Einsamkeit und Trauer nach und nach mit Nähe und Geborgenheit ersetzen zu lernen. Es wäre schön, du kannst bitte dazu sprechen."

Danke für deinen Brief. Danke für deine Offenheit.

Und ganz viele Menschen könnten einen ganz ähnlichen Brief schreiben.

Der Auslöser ist ein anderer bei jedem Menschen.

Das Drama, was geschah, ist bei jedem Menschen ein klein wenig anders. Und die Art und Weise, wie sich das daraus entstehende Trauma dann später meldet, ist bei jedem Menschen ein klein wenig anders.

Und was wir dann versuchen, und das beschreibt die Briefeschreiberin so wunderschön: wir möchten die Gefühle und den Schmerz, den wir dann entdecken, heilen können, damit wir dann so sein können, wie wir wirklich sind. Das ist die Motivation hinter diesem Entdecken. Wir haben die Bereitschaft, irgendetwas damit zu tun – damit wir es heilen können.

Das Entdecken der Wurzeln unseres Traumas hilft uns dabei, zu den Gefühlen, die da sind, 'ja' zu sagen.

Das Verstehen, wie all das entstanden ist, ist nicht wichtig.

Du kannst dir diesen Schritt auch sparen, wenn du bereit bist, die Gefühle auch einfach so anzunehmen.

Das entdecken die meisten Menschen, die beginnen zu entdecken, wo ihr persönliches Trauma seinen Ursprung hat.

Dann beginnen sie zu wissen, wo es herkommt, und sie beginnen zu verstehen, wie es sein kann, dass sie sich so seltsam fühlen. Und dann ist da dieses Aha-Erlebnis: "Ah, deswegen fühle ich mich so! Ich bin also nicht verrückt. Ich habe mir das also nicht eingebildet."

Und dann fällt es uns leichter, diese Gefühle anzuerkennen. Davor haben Menschen wie du und ich und viele andere oft das Gefühl, als würde man sich etwas vormachen; als könnte das gar nicht sein. Man versteht überhaupt nicht, warum man sich so fühlt.

Und wenn man dann einmal entdeckt hat: "Ah, da ist wirklich etwas passiert", dann endlich können wir diesen Gefühlen Glauben schenken, so möchte ich es einmal ausdrücken, und nur dazu ist dieses Entdecken und Verstehen gut. Das Verstehen und Entdecken ist nicht notwendig für den weiteren Weg, aber meistens haben wir es sehr schwer damit, den Gefühle, die wir beginnen zu fühlen, zu glauben, und nicht zu meinen, das bilde ich mir alles nur ein.

Aber der entscheidende Schritt ist, wenn wir beginnen, die Gefühle zu fühlen... wenn wir dazu bereit werden. Das ist der entscheidende Schritt. Und, wie gesagt, theoretisch geht das auch ohne Verstehen. Und wenn du einer der Menschen bist, der oder die den Auslöser des Traumas entdeckt hat, dann weißt du inzwischen: "Ja, gut, jetzt weiß ich, wo es herkommt, aber die Gefühle sind immer noch da. Es hilft mir nichts, zu wissen, wo es herkommt. Jetzt muss ich irgendetwas mit diesen Gefühlen tun. Jetzt muss ich sie irgendwie heilen."

Und dieses 'die Gefühle heilen wollen' ist eigentlich nur eine Umschreibung für 'sie loshaben wollen', und das meine ich gar nicht negativ. Wir wissen einfach nicht, wie wir mit diesen Gefühlen umgehen sollen, und wir möchten irgendetwas dafür tun, damit sie wieder verschwinden können. Wir haben das Gefühl: "Mit diesen Gefühlen kann ich nicht so sein, wie ich bin. Mit diesen Gefühlen kann ich nicht so leben, wie ich leben könnte, wenn sie endlich geheilt wären."

Und ich möchte jetzt einen Moment lang darüber sprechen, was der Kern eines Traumas überhaupt ist, denn wenn wir verstehen, was der Kern der Angelegenheit ist, dann ist es auch leicht zu erkennen, was die Lösung ist.

Normalerweise glauben wir: das, was uns im Leben so beschwert, das, was uns daran hindert, so zu sein, wie wir eigentlich sind, das, was uns im Leben so bremst, so blockiert, das ist das, was damals geschah; im Fall der Briefeschreiberin dieses Erlebnis, als ganz, ganz junges Baby alleingelassen zu werden. Das ist das Schlimmste, was einem Baby geschehen kann.

Wir glauben, das ist die Ursache unserer heutigen Schwierigkeit.

Aber das ist nicht wahr.

Was geschieht, wenn wir etwas erleben, mit dem wir nicht umgehen können als menschliches Wesen, ist, dass wir die Gefühle, die damit einhergehen, aufheben.

Das Erlebnis wird sozusagen in uns drin eingesperrt in einen sicheren Raum, in dem das Erlebte, die Gefühle, die damit einhergehen, aufgehoben werden, so lange, bis wir irgendwann einmal damit umgehen können. Das ist eine ganz wundervolle Art und Weise, wie sich ein Wesen davor schützen kann, daran zu zerbrechen. Es ist ein toller Mechanismus, ein sehr, sehr nützlicher Mechanismus.

Und später beginnen wir dann zu ahnen, dass da dieses Weggesperrte, dieses Aufgehobene sein muss. Irgendwann kommen wir in ein Alter... wir haben zwanzig, dreißig, vierzig, fünfzig Jahre lang gelebt, und dadurch, dass wir einfach gelebt haben und ganz allmählich reifer geworden sind, kräftiger in uns... irgendwann kommen wir an den Punkt in unserem Leben, wo wir fähig genug geworden sind, dieses damals sicher Aufgehobene zu berühren und dann damit umzugehen. Wir wissen davon nichts, das geschieht automatisch, unbewusst.

Genauso automatisch, wie der Trauma-Mechanismus funktioniert, dieses Aufheben der Gefühle, mit denen man zu einer gewissen Zeit nicht umgehen kann, genauso automatisch geschieht es, dass diese Gefühle dann ganz sanft beginnen, bei uns anzuklopfen, wenn wir langsam bereit werden, sie zu berühren – oder, noch besser gesagt, uns von ihnen berühren zu lassen. Und es ist dann zehn oder zwanzig, dreißig, vierzig Jahre später, und wir wissen überhaupt nicht, wo die Gefühle herkommen, weil wir den Auslöser vergessen haben. Das gehört zu diesem Trauma dazu.

Und dann glauben wir, es ginge um das, was damals geschah. Aber das Trauma besteht nicht in dem, was geschah, ganz gleich, was es ist. Das Trauma besteht in dem Wegsperren der Dinge. Und wie gesagt: das ist überhaupt nichts Negatives. Es ist nicht so, dass damals ein Fehler geschehen ist in deiner Psyche. Nein. Das ist ein nützlicher, ein wichtiger, ein hilfreicher Mechanismus.

Das Trauma besteht darin, dass diese alten Gefühle, diese alte Energie, sicher verwahrt ist.

Und das Auflösen des Traumas besteht darin, diese Verwahrung aufzulösen. Es geht nicht um das, was damals geschah, was die Gefühle hervorgerufen hat. Das ist weg. Das Einzige, was jetzt da ist, sind die verwahrten Gefühle.

Und das Trauma heilen heißt, sagen zu können: "Okay, die Verwahrung, das Aufheben der Gefühle, ist nicht länger notwendig. Ich bin bereit. Jetzt kommt, kommt zu mir."

Das ist das Ende des Traumas.

Und wenn du das verstehst, dann erkennst du, was notwendig ist. Normalerweise glauben wir, dass die Gefühle das Problem sind – das, was uns heute plagt und behindert und am Leben hindert. So fühlt es sich oft an, und deswegen werden wir dann zwar irgendwann bereit, diese Gefühle anzuerkennen, aber was wir dann tun möchten, ist, irgendetwas zu tun, wir nennen es 'heilen', um diese Gefühle dann wieder loszuwerden.

Aber die Heilung geschieht so nicht. Die Heilung besteht einfach darin zu sagen: "Okay, jetzt dürft ihr kommen", und dadurch löst sich das Trauma auf. Die Gefühle sind nicht das Problem. Das, was uns so lähmt, so verkrüppelt, ist das Ablehnen der Gefühle, das Wegsperren der Gefühle.

Wie gesagt: dieses Wegsperren der Gefühle ist nicht per se falsch. Zu einer bestimmten Zeit ist es wichtig und lebensnotwendig für uns, dass das in unserer Psyche geschieht, aber irgendwann werden wir bereit.

Jetzt könnten wir... Jetzt sind wir stark und groß genug, jetzt könnten wir diese Gefühle fühlen. Sie sind immer noch schmerzhaft, immer noch schwierig, aber jetzt könnten wir. Aber wir behalten diese ablehnende Grundhaltung dieser Gefühle einfach bei, und selbst wenn uns das Leben dann irgendwann, wenn wir erwachsenen sind, dazu zwingt, diese Gefühle einfach einmal anzuerkennen, selbst dann wollen wir sie nicht wirklich haben.

Wir glauben: das Gefühl ist das Problem, und wir wollen irgendetwas tun, und dafür gibt es dann ganz schöne, wohlklingende Worte. Wir wollen die Gefühle 'transformieren' oder 'heilen' oder 'gehen lassen', aber im Grunde wollen wir sie einfach nur loswerden, weil diese innere Überzeugung: "das ist ein Problem, mit dem ich niemals umgehen kann", immer noch da ist, und aus dieser Überzeugung besteht das Trauma. Das ist der Kern des Traumas.

Und es ist auch ganz verständlich, dass wir uns so fühlen, denn für lange Zeit im Leben war es uns wirklich nicht möglich, damit umzugehen. Wir konnten wirklich nicht. Es hätte uns wahnsinnig gemacht. Aber wenn du beginnst, diese Dinge wirklich zu entdecken und zu fühlen, wenn du beginnst, solche Fragen zu stellen oder solche E-Mails zu schreiben, wenn du beginnst, solche Videos anzuschauen, dann heißt es: "Ah, du bist bereit."

Aber wir können es selber nicht glauben. Wir wissen nicht, dass wir bereit sind. Wir glauben immer noch: das Gefühl ist das Problem.

Und darin besteht heute die Heilung von Trauma.

Es ist sehr verführerisch, über die Ursache nachzudenken und über die Ursache zu sprechen: das Drama damals als Einjährige, im Krankenhaus, mutterseelenallein, oder Missbrauch oder Gewalt, was auch immer es war.

Das nährt diese Überzeugung, dass ich ein Problem habe, dass diese Gefühle wirklich ein Problem sind.

Deswegen ist es letztlich nicht hilfreich.

Die Heilung von Trauma geschieht, wenn ich merke: "Ah, jetzt könnte ich mich dafür öffnen, für die Gefühle. Es ist nichts weiter als Gefühl."

Und wenn ich das tue, dann entdecke ich etwas ganz Erstaunliches.

Die Schwierigkeit besteht in Wirklichkeit nicht darin, diese Gefühle auszuhalten.

Die große Schwierigkeit für einen traumatisierten Menschen besteht darin, sich zu trauen, es irgendwann zu wagen, diese Gefühle wirklich zu fühlen, ganz nackt.

Das ist die Schwierigkeit: dieses Kästchen, das damals zugemacht wurde, in dem die Gefühle verborgen sind als Einjährige, dieses Kästchen zu öffnen. Wir glauben: was in diesem Kästchen ist, wird uns umbringen. So fühlt es sich an. Wir glauben: wenn ich das aufmache, dann werde ich vernichtet. So fühlt es sich an. Das ist Trauma.

Und irgendwann, irgendwann, durch Therapie, durch Meditation, durch was auch immer, irgendwann öffnest du den Deckel. Wenn du das tust, ist die Heilung bereits geschehen.

Ich erinnere mich, wie das in meinem Leben war, als ich... Ich bin natürlich auch ein traumatisierter Mensch, wie eigentlich fast jeder Mensch. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der nicht traumatisiert ist.

Bei mir war es ganz ähnlich. Ich habe irgendwann gemerkt, dass da etwas sein muss, und dann habe ich mit einem wunderbaren Therapeuten damals arbeiten dürfen. Und es war ganz spannend, denn der wusste von diesen Dingen, die ich jetzt gerade erzähle. Der wusste, dass das, was in meiner Kindheit geschah, nicht das Wichtige ist. Es macht eine tolle Story, es ist sehr dramatisch und sehr... Wenn ich die erzählen würde, dann bekommt man unglaublich viel Mitgefühl und alles. Aber das ist nicht der Weg. Der wusste das. Deswegen hatte ich so ein großes Glück damals.

Der war unendlich geduldig, und es war in meinem Fall so: dieses Kästchen, von dem ich eben sprach, das war für mich wie eine dicke Tür. In diesen Therapiesitzungen fühlte ich mich, als würde ich vor einer Tür sitzen, die ist fest verschlossen, und hinter dieser Tür toben unglaublich schreckliche und gefährliche Monster, und wenn ich diese Türe öffnen würde, dann ist es das Ende. Und gleichzeitig wusste ich: meine Aufgabe besteht darin, diese Türe zu öffnen. Das war klar. Wenn man im Leben an diesen Punkt kommt, dann ist es Zeit dafür, und dann wird irgendwann dieser Schritt fällig.

So saß ich also vor dieser Tür, voller Angst, viele Sitzungen lang. Aber was in dieser Zeit geschah, ist, dass ich ganz allmählich mit diesen Gefühlen, die mich davor abhielten, diese Tür zu öffnen, Freundschaft geschlossen habe, ganz allmählich, ganz allmählich; mit der Angst. Und irgendwann war ich bereit, und dann habe ich diese Tür geöffnet, innerlich, in mir.

Und seit diese Tür geöffnet ist, herrscht in mir Stille und Frieden.

Und die Essenz von Trauma ist es, bereit zu werden, stark genug zu werden, diese Tür zu öffnen und bereit zu sein für alles, was dann kommt. Das ist die Heilung von Trauma. Das, was dann da kommt, ist nicht das Problem. Es ist dieses Bereitwerden.

Das Hilfreiche dabei ist, nicht zu versuchen, das, was da entdeckt wurde, das, was man da beginnt zu fühlen, jetzt wieder in ein neues Kästchen zu sperren. Was wir normalerweise tun, ist: wir erkennen unsere Angst, unsere Verzweiflung, unseren Schmerz. Wir beginnen das wahrzunehmen, und dann wollen wir es wieder loswerden, irgendwie.

Es kommt; du bist in dem Alter im Leben, wo es anklopft, weil jetzt die Zeit wäre fürs Annehmen, aber an unserer grundlegenden ablehnenden Haltung hat sich nicht wirklich etwas geändert. Diese ablehnende Haltung in uns diesen Dingen in diesem Kästchen gegenüber, die hat sich nicht geändert, und diese ablehnende Haltung, das ist das Trauma.

Und mit eben dieser ablehnenden Haltung machen wir jetzt heute etwas mit den Gefühlen, was wieder ganz spirituell und konstruktiv klingt: wir wollen sie 'heilen', wir wollen sie 'transformieren', damit wir dann uns anders fühlen können, aber damit verlängert man das Trauma. Man packt das alte Trauma in ein neues Kästchen. Das ist vielleicht nicht mehr ganz so dick, aber da kümmern wir uns nicht wirklich um das, worum es geht. Deswegen ist mein Rat an Menschen, die in solch einer Situation sind: werde bereit.

Werde bereit dafür, das jetzt anzunehmen, ganz gleich, was es bedeutet. Es fühlt sich an, als würdest du vernichtet werden. Bei mir war es damals so: ich wusste: "Wenn ich diese Türe öffne, ist es das Ende." Ich wusste das. Das stimmt nicht. Als ich die Türe öffnete, war es das Ende des Traumas und der Anfang von Frieden, aber ich musste bereit sein, diese Tür zu öffnen. Ich musste bereit sein, diese Monster, diese Gefühle, kommen zu lassen.

Ja, mein Rat an dich ist: vergiss dieses Ansinnen, diesen Gefühlen auch jetzt entgehen zu wollen. Du schreibst: du weißt nicht, wie du dieser ständigen Reinszenierung des alten Traumas entgehen kannst. Ja, es bestimmt heute noch dein Leben. Heute noch siehst du an dir Verhaltensweisen und Muster, die dir eindeutig zeigen: ja, das ist alles immer noch am Werke.

Und der Weg, der wahre Weg, damit umzugehen – und es klingt paradox, ist, damit uneingeschränkt Frieden zu schließen: "Okay, ich bin ein Mensch, der diese Gefühle hat. Diese Gefühle bekommen jetzt Platz in mir. Jetzt bekommen sie Raum in mir. Jetzt dürfen sie da sein.

Dieses Reinszenieren, diese Verhaltensweisen, die ich von mir kenne, diese Muster, jetzt gebe ich meinen Widerstand auf. Jetzt dürfen sie alle da sein. Jetzt darf ich so verkorkst und verrückt sein, wie ich bin... wie ich nun mal bin." Und es klingt paradox. Es fühlt sich an, als würden wir damit dem Problem Tür und Tor öffnen, anstatt es zu lösen.

Ich weiß schon, es fühlt sich seltsam an, das, was ich da dir nahelege.

Aber ich ermutige dich dazu, weil du nur dann entdecken kannst, worin das wahre Problem besteht. Erst, wenn wir ganz und gar einfach sagen: "Okay. Okay, ich bin so. Ja, ich fühle mich so. Okay"... Erst dann, wenn wir den Widerstand gegen das, was wir fühlen und gegen das, wie wir sind, aufgegeben haben, erst dann entdecken wir, dass dieser Widerstand das war, was uns so geplagt hat, und nicht die Gefühle.

Dieses Kästchen, das sich damals, vor fünfundvierzig Jahren, um die Gefühle gelegt hat, das war damals eine Hilfe, und das ist heute das einzige Problem. Und wir glauben an dieses Kästchen, wir glauben, das ist wichtig, aber jetzt ist es ein Problem geworden, dieses Kästchen, einfach weil jetzt etwas Neues möglich ist.

Weißt du, es ist so: du erlebst etwas, und ganz automatisch kümmert sich deine Psyche darum, dass diese Dinge weggesperrt werden. Und du hast damit überhaupt kein Problem. Du spürst davon nichts. Es behindert dich auch nicht wirklich, du weißt davon nichts. Solange, wie wir nicht in der Lage sind, dieses Kästchen zu öffnen, so lange leben wir damit, ohne dass wir davon etwas wissen. Natürlich sind wir seltsame Menschen, natürlich sind wir verkorkst, aber wir wissen nichts darüber. Wir leben einfach unser Leben, und wir glauben oft sogar, wir seien ganz glücklich.

Solange dieses Kästchen um die Gefühle von damals nützlich ist, so lange ist alles gut. Aber dann beginnt eben diese Zeit im Leben, wo wir zu etwas Neuem fähig wären. Dann beginnen wir zu spüren, dass wir eigentlich anders leben könnten als wie bisher, und das ist die Zeit, wo das Kästchen aufgemacht werden kann. Und wenn wir dann das Kästchen aber nicht aufmachen, dann wird es zum Hindernis.

Ich wiederhole das noch einmal, um ganz deutlich zu machen, worin das Problem eines erwachsenen Menschen besteht, der sein altes Kindheitstrauma entdeckt. Das Problem besteht darin, dass wir jetzt bereit wären für ein größeres Leben, und dazu ist einfach nur nötig, das Kästchen zu öffnen, aber wir wollen es immer noch zu haben. Das ist das einzige Problem.

Ich möchte damit nicht sagen, dass es einfach ist. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit in meinem Leben. Ich war damals wirklich damit beschäftigt. Die Gefühle, die ich damals begann, in mir zu spüren, waren unglaublich. Es fühlte sich wirklich an, als würde da Vernichtung auf mich warten.

Es war wirklich eine Herausforderung. Ich möchte damit überhaupt nicht sagen, dass es doch eigentlich eine Lappalie wäre. Ich möchte damit nicht sagen, dass du dich nicht so anstellen sollst, "das ist doch ganz einfach". Nein. Ich möchte dir nur ein Gefühl dafür geben, worin die eigentliche Herausforderung hier besteht.

Und die besteht darin, das, was jetzt für dich spürbar ist, anzunehmen, dich davon berühren zu lassen, dich davon umbringen zu lassen. Es bringt dich nicht um, aber es fühlt sich so an. Dafür bereit zu sein, nur darum geht es, und dann löst sich das Trauma auf. Du bist dann immer noch ein etwas seltsamer Mensch. Du merkst natürlich immer noch, dass du bestimmte psychische Eigenarten hast, die irgendwie komisch sind, aber es ist kein Problem mehr.

Die Blockade, die wir spüren durch solche Traumata, ist diese Weigerung, es an uns heranzulassen. Und dafür den Mut zu finden, darin besteht die Aufgabe, nichts weiter. Wie gesagt, mit diesem "nichts weiter" meine ich nicht, dass es einfach ist. Ich meine: keine weitere Aufgabe wartet dahinter. Es ist nicht so, dass du dann mit diesen Gefühlen unglaublich viel machen müsstest, oder mit den Erinnerungen, mit diesem alten Drama von damals.

Wenn du dafür einmal bereit bist, alles hier sein zu lassen, was da in diesem Kästchen ist, für immer, dann ist es im Handumdrehen geheilt. Es ist unglaublich. Du sagst, du meditierst.

Das ist gut, weil ich dir jetzt empfohlen hätte, zu meditieren, wenn du es nicht schon tätest. Wenn du die Samarpan-Meditation machst, dann wird in dir ganz allmählich etwas kräftiger und stärker, und das hilft dir dabei. Damals, als ich durch diesen Prozess ging, wusste ich noch nichts von dieser Meditation.

Ich habe diese Bereitschaft damals mithilfe meines Therapeuten ganz allmählich entwickelt, indem ich mich nach und nach mit verschiedenen Gefühlen angefreundet hatte.

Aber jetzt, wo ich die Meditation kenne, empfehle ich Meditieren, und das macht dich innerlich allmählich stärker, und innerhalb kurzer Zeit wirst du stark genug, diese Dinge kommen zu lassen.

Und ich habe in den letzten sieben Jahren, oder in den letzten sechseinhalb Jahren, seit ich diese Meditation mache, etwas ganz Erstaunliches festgestellt.

Wenn ich auf diese Weise meditiere, die Samarpan-Meditation, dann geschehen auf eine Art und Weise, die ich nicht erklären kann, genau die richtigen Dinge in meinem Leben, die mir dabei helfen, was jetzt gerade dran ist.

Ich will jetzt nicht sagen, du sollst keine Therapie machen, wenn du eine machen möchtest, um dir bei dieser Aufgabe zu helfen. Es gibt ja ganz viele verschiedene Möglichkeiten, wie man sich selbst dabei unterstützen kann bei diesem Prozess, das Trauma aufzulösen, und ich möchte in keiner Weise sagen, dass man all das nicht tun sollte. Das Einzige, was ich sage, ist das, worum es dabei wirklich geht.

Es gibt da keine Gefühle, die geheilt werden müssten, weißt du. Es gibt da kein altes Vorkommnis, das geheilt werden müsste. Das Vorkommnis ist geschehen. Gefühle müssen nicht geheilt werden. Das Einzige, worum es bei all diesen Methoden geht, ganz gleich wie sie aussehen, ist, dass wir ganz allmählich bereit werden, endlich 'ja' dazu zu sagen. Dass wir stark genug werden, kräftig genug in uns selbst, um irgendwann einmal 'ja' dazu zu sagen.

Und dann, dann ist alles gut. Und viele Therapeuten und viele Menschen, die bestimmte Methoden zur Traumaheilung anbieten, wissen gar nicht, dass darin das Nützliche in ihrer Methode besteht. Das geschieht sozusagen zufällig nebenbei, diese innere Kräftigung, dieses standfester werden in sich selbst, dieses vertrauter werden mit diesen Gefühlen. Und dann passiert dieses 'ja' dazu ganz allmählich, nach und nach, und dadurch löst sich das Problem auf.

Das Problem war nur das 'Nein', nicht die Gefühle, und deswegen hilft die Meditation dabei so sehr. Und wie gesagt, ich habe in meinem Leben jetzt in den letzten Jahren immer wieder gemerkt: wenn ich meditiere, dann kommen genau die Sachen zu mir, die mir dabei helfen, bei diesem 'ja' sagen. Vielleicht läuft dir dann irgendein Therapeut über den Weg, und du merkst: "Ah, das will ich tun. Die Methode, die ist für mich." Solche Sachen geschehen dann.

Aber vielleicht brauchst du das auch gar nicht. Das ergibt sich dann von selbst sozusagen. Mir ist nur wichtig zu sagen: all diese Dinge sind für den einen oder anderen nützlich. Schließe nichts aus. Es geht nicht darum, jetzt zu sagen: "Ich mache das alles nicht mehr". Tu das, wonach dir ist. Tu das, wo dich dein eigener, innerer Kompass hinführt; das ist dann schon das Richtige. Aber wisse einfach, worin deine eigentliche Herausforderung besteht.

Und um noch einmal auf deine Frage am Schluss deiner E-Mail zurückzukommen: du sagst, du weißt nicht, was du tun kannst, dieses ständige Reinszenieren dieses alten Traumas, wie du das vermeiden kannst. Wahrscheinlich sprichst du dabei von Beziehungsmustern, das, was du immer wieder mit Männern erlebst oder mit anderen Menschen.

Das Paradoxe ist, dazu ja zu sagen: "Ich bin so. Sei's drum. Ich bin so." Wir werden glücklich durch das 'ja' in uns. Wir werden nicht glücklich, weil wir diese Dinge, die uns aus unserer Tiefe steuern, auflösen, weil wir dann andere Dinge tun können, die dann besser sind und uns mehr Freude bescheren. So werden wir nicht glücklich. Das ist nicht das Geheimnis von Glück.

Wenn das der Fall wäre, könnte keiner von uns glücklich sein, denn wir haben so viel in uns. Wir tragen so viel mit uns herum. Aber die gute Nachricht ist: wir brauchen nur dieses 'ja'. Und dann bist du vielleicht immer noch auf die eine oder andere Weise verkorkst, so wie ich, aber du stellst fest: es ist gar kein Problem, überhaupt ganz. Nur dieses Ja.

Es ist, als wären diese ganzen Gefühle unsere Kinder. Es ist, als wäre diese Einjährige von damals dein Kind, das du heute hast. Du hast mir ja geschrieben, den Teil habe ich nicht vorgelesen, dass du keine Kinder hast, und mehrmals erlebt hast, dass du schwanger warst, aber das Kind nicht geboren wurde. Diese Einjährige, die ist dein Kind. Diese Gefühle, das sind deine Kinder.

Liebe die, als wären sie deine Kinder. Das ist die richtige Herangehensweise an diese Einjährige, an diese Gefühle. Deine eigenen Kinder, die willst du nicht ändern, die liebst du einfach, wie sie sind, gerade so, wie sie sind, ganz gleich wie seltsam, ganz gleich wie komisch. Alle anderen halten sie vielleicht für verkehrt, aber du, du liebst sie einfach.

Das ist die Heilung.

Und dann brauchst du dieses Kästchen nicht mehr. Das Trauma ist dieses Kästchen.

Das, was drin ist, gehört zum Menschsein dazu, und ist auch kein Problem. Jetzt nicht mehr.

Die Quelle des unbekannten Schmerzes

Ich möchte noch einen zweiten Brief vorlesen, der mich erreicht hat, wo es um etwas geht, was ganz ähnlich gelagert ist.

Hier schreibt wieder eine Frau. "Ich möchte von meinem Schmerz erzählen, den ich gerade habe. Diesen tiefen Schmerz kann ich nicht zuordnen. Woher er kommt, weiß ich schon, aber warum es mich derart zerpflückt, das kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe meine Beziehung beendet, Anfang Februar. Und das war's. Das ist auf einmal gekommen, einfach so, so eine Klarheit. Und das hat irgendetwas bei ihm getriggert, und da war es für mich klar: ich muss hier wirklich weg.

Das hat es für mich bestätigt, diese Entscheidung, die Beziehung zu beenden. Der war wirklich in absoluter Not. Dem hat's alle Knöpfe gedrückt. Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, kam solch eine unheimliche Weite in mir. Ich konnte noch nie so frei atmen. Ich wusste gar nicht, dass das beengt war, was ich da atme. Und jetzt: so ein tiefer, tiefer Friede in mir.

Ja, und jetzt, jetzt ist es so, dass ein unheimlicher Schmerz in mir hochkommt, den ich nicht verstehen kann. Ich muss mich manchmal regelrecht ablenken. Hier ist so ein tiefer Schmerz, der kommt wohl von irgendwo ganz anders her. Es ist, als gäbe es da kein Zurück mehr, aber nach vorne gehen schmerzt so unheimlich, dass ich denke, ich muss zurück in die Beziehung, weil es so schmerzt, aber das geht eben auch nicht mehr.

Nun ist alles da, eben dieser tiefe Schmerz und auch auf der anderen Seite dieser unheimliche Frieden und diese unheimliche Freiheit. Und dann gleichzeitig wieder dieser riesige Unfrieden. Manchmal fühlt sich das an, als ob ich das nicht aushalte. Manchmal weiß ich gar nicht, wohin mit mir. Und doch spüre ich in mir drin so eine tiefe Anbindung. Mein Ex sagt, wenn ich mit mir bin, dann bin ich voll und er ist eben leer.

Wenn ich mit einem Mann bin, dann erlebe ich das irgendwie immer so, dass der sich dann auf mich stützt. Irgendwie scheine ich so eine Art Einladung dazu auszusprechen. Bei meinem Ex-Mann war das früher auch so, und erst, als ich dann weg war, begann der, selbstständig zu gehen. Es scheint mir, als würde das mit mir zusammen sein die Männer irgendwie lähmen.

Jetzt fühlt es sich für mich so an, wie wenn ich mich nie wieder auf irgendetwas Derartiges einlassen möchte, weil ich so etwas nicht mehr aushalten kann. Ich weiß schon, im Grunde sind das einfach nur Wachstumsschmerzen des Herzens, aber diese Gedanken kommen einfach auf. Ich kann das nie wieder machen, und trotzdem geht es mir so gut, ich bin so gesegnet. Schön, dass es dich gibt, und dass du ein Licht in dieser Welt bist. Namaste."

Ja, schön, dass es dich gibt, und danke für diesen Brief.

Ja, wir bekommen einen Geschmack dieser alten Gefühle, die da auf uns warten, und wir wollen am liebsten die Tür wieder zumachen.

Ich verstehe das sehr, sehr gut.

Ich sprach ja vorhin davon, wie es bei mir in meinem Leben war, als ich mein Kindheitstrauma allmählich entdeckt habe; als das angeklopfte. Und bei mir war es auch so gewesen, dass die Beziehung, die ich damals hatte... Ich war verheiratet, viele Jahre lang, und dann ging diese Beziehung zu Ende. Und kaum war sie zu Ende, wenige Tage später, klopften diese alten Gefühle zum ersten Mal an, mit einer Wucht und einer Intensität, wie ich sie noch nie zuvor in meinem Leben erlebt hatte, und da wusste ich: da wartet etwas auf mich.

Aber es ist nicht so, dass das zu Ende gehen der Beziehung Ursache für diese Gefühle ist. Das weißt du ja auch irgendwie.

Es ist auch nicht so, dass die Tatsache, dass wir uns auf eine Beziehung eingelassen haben, die dann irgendwann zu Ende geht, die Ursache für diesen Schmerz wäre. Der Schmerz ist viel älter, aber wir missverstehen das für gewöhnlich. Es ist genau umgekehrt. Es ist so: irgendetwas geschieht in unserem Leben, meistens nicht nur eine Sache, sondern viele, wenn wir kleine Kinder sind.

Und das ist normal. Uns geschehen viele Dinge, mit denen wir uns nicht beschäftigen können in dem Alter, und die werden dann weggesperrt. Und das sind diese alten Gefühle. Und ich beschrieb das ja vorhin: wir sind, wenn wir klein sind, überhaupt nicht in der Lage, mit diesen Gefühlen umzugehen, weil wir alleine sind, weil niemand da ist, der uns dabei hilft.

Und dann werden wir älter, und wir durchleben gewisse Dinge in unserem Leben, die uns ganz allmählich bereitmachen dafür, irgendwann einmal mit diesen Dingen umzugehen, die damals weggesperrt worden sind. Wie gesagt, das Wegsperren war kein Problem, das war hilfreich, aber die Dinge warten einfach auf uns. Und dann hast du eine Beziehung, wie du sie jetzt erlebt hast. Und es ist jetzt nicht so, dass weil du dich auf diese Beziehung eingelassen hast, dieser Schmerz entstanden wäre, den du jetzt zu fühlen hast.

Es ist anders. Auch diese Beziehung hat dich weitergetragen, hat dich stärker gemacht, hat dich dazu gezwungen, kräftiger zu werden, hat dich herausgefordert, hat dich gestärkt. Es nicht so, dass der Mann dir einen Gefallen getan hat, weil er dir etwas gegeben hat, sondern er hat dich einfach dazu gezwungen, noch erwachsener zu werden, noch reifer zu werden, und dadurch bist du noch fähiger geworden.

Und jetzt ist die Beziehung vorbei, und jetzt klopfen diese alten Gefühle ran. Jetzt bist du bereit.

Alles, was wir im Leben erleben, deine Ehe, deine Beziehung, dein Beruf, alle Schwierigkeiten, alle Herausforderungen, machen uns kräftiger, größer, reifer. Und irgendwann kommen wir an den Punkt, wo wir so reif und so kräftig geworden sind in uns drin, dass wir, wenn wir solche alten Dinge in uns tragen, damit umgehen können. Und es geschieht alles automatisch. Unsere Psyche weiß ganz genau, wann etwas möglich ist und wann nicht.

Und wenn dieser Schmerz, den du nicht begreifen kannst, wenn der ankommt, wenn dieser Schmerz, dessen Wucht, dessen einmalige Intensität dir eindeutig sagt: da ist etwas, das ist etwas Besonderes, das ist jetzt etwas ganz Spezielles, das spürst du... wenn der anklopft, dann heißt es, du bist bereit, sonst wäre er nicht da. Und dieser Schmerz hat überhaupt nichts mit dem Mann zu tun, überhaupt nichts. Der hat dich nur dazu bereit gemacht, kräftig genug gemacht, reif genug gemacht, schön genug gemacht.

Und du musst überhaupt nicht herauskriegen, wo dieser Schmerz herkommt. Das kannst du natürlich machen, wenn du willst. Du kannst jetzt nachbohren, wie der entstanden ist, und was damals geschah, dass du Schmerz erlebt hast, der sicher aufgehoben werden musste bis jetzt.

Aber das ist nicht die Herausforderung. Das Einzige, was man tun muss, wenn das Trauma anklopft, ist: 'ja' sagen. Wenn du das kannst, ist nichts weiter notwendig. All die Therapien, all das Entdecken, all das Verstehen dient nur dem einen Zweck: dass wir ganz langsam bereit werden, 'ja' zu sagen. Aber wenn du einfach zu dem Schmerz 'ja' sagen kannst, so, wie er jetzt ist... mehr ist nicht notwendig. Das braucht Zeit und Raum und Geduld und Mut, mehr nicht.

Und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sich das anfühlt. Ich werde das nicht vergessen.

Es fühlt sich an, als wäre das zu groß für dich, es fühlt sich an, als würde das dich vernichten. Und das stimmt auch, da wird etwas vernichtet. Ein alter Teil des Egos wird vernichtet, ein alter Teil der Erinnerung wird dann verdampfen, und du bist frei.

Und wenn im Leben eines Menschen solche Gefühle anklopfen, hat man verschiedene Möglichkeiten. Welche du wählst, das ist für jeden Menschen anders. Jeder Mensch spürt es für sich selbst.

Manche Menschen sperren das für weitere zwanzig Jahre weg. Manche Menschen spüren: "Nein, das muss hier sein, aber ich kann damit nicht umgehen." So ging es mir damals. Ich weiß noch ganz genau, den einen Moment, wo dieses Gefühl zum ersten Mal anklopfte.

Ich wusste: "Dabei brauche ich Hilfe. Das kann ich nicht allein." Ich wusste damals nichts von Meditation, ich wusste nichts vom Gefühle fühlen, ich wusste nichts vom mir selbst nahe sein. Ich war vollkommen unreif in dieser Hinsicht vor fünfundzwanzig Jahren, vor sechsundzwanzig Jahren. Und da habe ich mir Hilfe geholt, und bin bei einem ganz tollen Therapeuten gelandet, und kurze Zeit später war das alles erledigt.

Aber es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, damit umzugehen. Aber diese Möglichkeiten dienen immer nur dem einen wahren Zweck, nämlich bereit zu werden, 'ja' zu sagen, dafür, wie du bist, zu allen Gefühlen, nicht nur zu dem Gefühl des Traumas. Und die Meditation ist für mich heute der beste Weg, der einfachste, der billigste, die kostet nämlich nichts.

Und die stärkt etwas in dir, das, was Swamiji, mein Guru, der diese Meditation zu uns bringt, die Seele nennt... die stärkt diesen Teil in dir, die Seele. Und je stärker die wird, desto unwichtiger werden diese Gefühle, und desto leichter können wir 'ja' dazu sagen. Es ist ganz magisch.

Aber letztlich musst du selbst wissen, was dir hilft beim 'ja' sagen. Das ist, wie gesagt, bei jedem Menschen anders, aber ich finde immer sehr hilfreich zu erkennen, worin die eigentliche Herausforderung besteht: einfach 'ja' sagen zu dem, was dich da fressen will, zu dem, was dich da vernichten will. So fühlt es sich an. Ich weiß ganz genau, wie es sich anfühlt. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen.

Und wenn wir 'ja' sagen können, auch dazu, dann werden wir ganz. Dann werden wir heil. Dann werden wir groß.

Du schreibst ja in der E-Mail... das war ein Audio, es war gar keine E-Mail, es war ein Audio, was mich da erreicht hat... dass die Männer sich auf dich stützen, wenn du dich mit ihnen einlässt, als wärst du ihre Mama. Das ist normal, das machen alle Männer so. Und das machen die Frauen bei den Männern auch. Du hast dich auch auf diesen Mann gestützt, nur weißt du davon nichts. Mit diesem Mann zusammen zu sein, hat es dir erlaubt, zu wachsen.

Und wir unterstützen uns auf die verschiedensten Arten und Weisen. Wenn du der kräftigere Teil der Beziehung bist, der, der mehr in sich ruht als der andere, dann bekommt dieser Mann dadurch Gelegenheit, ganz langsam in diesem geborgenen Energiefeld von dir ein kleines bisschen weiter zu wachsen.

Und wenn du der kräftigere Teil der Beziehung bist, dann hilft dir diese Beziehung dabei, authentisch zu werden, mehr bei dir zu sein, mehr auf dich zu achten. Es triggert dich die ganze Zeit und fordert dich heraus, dass da dieser Kerl dauernd an dir hängt. Es ist für beide Seiten ein Segen, beide Seiten werden kräftiger und machen ein paar Schritte weiter auf diesem Weg zu sich selbst. Es ist also überhaupt gar kein Problem.

Und die nächste Beziehung, die du hast, wird dir auch wieder helfen. Deswegen haben wir sie. Deswegen verlieben wir uns, deswegen fühlen wir uns zu anderen Menschen hingezogen. Alles, wo du dich hingezogen fühlst, ist gut für dich. So steuert uns das Leben: durch das, wo wir uns hingezogen fühlen.

Du kannst dieser Anziehung, die du spürst, vertrauen, und das wird auch in Zukunft so sein. Du kannst dann eh nicht 'nein 'sagen, und das ist auch gut so. Und wie gesagt: der Mann ist nicht das Problem, der hat dich nur bereit gemacht. Jetzt bist du stark genug, jetzt kannst du 'ja' sagen. Und lass dir Zeit, sei geduldig.

Danke für deine Frage. Danke. Du hast gar keine Frage gehabt, du hast mir einfach erzählt, aber ich spüre dann immer eine Frage. Vielleicht nehme ich es einfach als Ausrede, darüber zu sprechen.

Wie trauert man?

Und ich habe noch eine dritte, ganz, ganz kurze E-Mail, die möchte ich jetzt am Schluss noch vorlesen, denn sie rundet das Ganze auf ganz magische Weise ab.

Hier schreibt eine Frau, die gerade einen geliebten Menschen verloren hat. "Mikael, wie trauert man? Jemand sagte zu mir, sei einfach traurig. Aber weißt du, trauen ist für mich etwas Tieferes als einfach nur traurig sein."

Wow. Wow. Danke, danke, danke. Die berührt mich so sehr, diese Frage. Wie trauert man?

Man kann nicht trauen.

Trauern ist etwas, was man nicht machen kann. Ich würde es so ausdrücken: man wird getrauert.

Wenn Trauer kommt, wenn Traurigkeit kommt, wenn dieser bestimmte Schmerz kommt, dann wird man geschmerzt, man wird getrauert.

Es ist, als würde man verbrannt werden in diesem Gefühl. Es ist wie ein Scheiterhaufen.

So fühlt sich es an.

Du fragst: wie trauert man? Lass dich trauern.

Lass dich von diesen Gefühlen, die da gerade zu dir kommen, beuteln, verbrennen, tragen, wegspülen.

Wenn du so eine intensive Phase durchmachst, dann ist es manchmal, als wärst du unfähig zu bestimmten Dingen, weil du innerlich so sehr mit diesen Gefühlen beschäftigt bist. Ja, lass das zu.

Du fühlst dich wie behindert? Lass das zu. Lass dich trauern, ganz gleich, was das bedeutet. Vielleicht willst du für eine gewisse Zeit keinen Menschen sehen, vielleicht kannst du eine Woche oder zwei nicht arbeiten. Lass dich trauern. Vielleicht willst du dich ablenken.

Lass das zu, lass dich trauern. Vielleicht bist du völlig verrückt. Lass dich trauern, lass das zu. Das ist genau das Gleiche wie der Mensch von eben. Sie sagte: "Ich weiß manchmal nicht, wohin mit mir. Manchmal habe ich das Gefühl, ich muss mich ablenken." Lass dich schmerzen.

Das ist das Einzige, was wir tun müssen: uns, so fühlt es sich an, freiwillig von diesen Gefühlen verbrennen lassen. Und wir lassen es einfach zu, ganz still, ganz regungslos, immer wieder, immer wieder, immer wieder.

Und du weißt nicht, wozu das gut sein soll.

Es fühlt sich an wie eine Sackgasse, wie das Ende, aber das ist mein Rat, wenn du fragst: wie trauert man? Lass dich trauern von deinen Gefühlen, von dem, was da in dir passiert.

Ist genau das Gleiche wie das, was ich gerade über Trauma gesagt habe. Wenn diese Dinge kommen, die zu groß für uns zu sein scheinen, lass es zu, dass sie dich überwältigen. Lass es zu, dass sie dich verspeisen, zerreißen, zerpflücken, wie es die Frau vorhin gesagt hat. Wenn du diese Gefühle fühlen kannst, spüren kannst, und das kannst du ja, sonst würdest du keine Trauer spüren, dann heißt es: du bist dazu bereit.

Wenn Schmerz zu dir kommt, wo du das Gefühl hast, der zerpflückt mich, der bringt mich um, dann heißt es, du bist für den Schmerz bereit. Dinge, für die wir nicht bereit sind, die fühlen wir einfach nicht. Von denen weißt du nichts. Du brauchst dir also nie Gedanken darüber machen, ob du für etwas bereit genug bist. Wenn du es spüren kannst, bist du bereit. Wenn du nicht bereit bist, spürst du es nicht, wie damals als Kind.

Ja, so trauert man. Lass dich trauern. Gib dir Zeit dafür. Gib dir Raum dafür.

Trauern ist nichts, was du aktiv tust.

Ich habe früher einmal gesagt: fühle das Gefühl, das da ist, aber das sage ich so nicht mehr, weil das nichts Aktives ist, was man tut. Es ist so eine Art zulassen: einfach diese Trauer kommen lassen, sich trauern lassen, sich umherwerfen lassen, sich durch den Fleischwolf drehen lassen. Es ist was ganz Passives, ganz Stilles, ganz Friedliches.

Ja, so geht man mit Gefühlen um, die größer sind als wir selbst. Trauer ist größer als du selbst. Trauma ist größer als du selbst.

Einfach bereit sein, kommen lassen, und alles tun, wonach dir ist, das ist dein innerer Führer, um Hilfe zu finden bei dem, was du gerade durchlebst.

Wenn dir nach meditieren ist, kann ich das nur empfehlen, das hilft. Das ist das Beste. Wenn dir nach anderen Dingen ist, dann folge dem. Aber lasse dich trauern, lasse dich schmerzen. Es fühlt sich an, als würde man umgebracht werden von solchen Gefühlen. Lass dich umbringen, lass dich verbrennen. Wie du siehst, bin ich immer noch da, lebendiger denn je, und ich mache das immer, wenn so etwas kommt.

In diesem Video sollte es ja um Trauma gehen, und ich wollte dir ein Gefühl dafür geben, dass das Trauma, das heute bei dir anklopft, kein Problem ist, im Gegenteil. Es ist die Gelegenheit... es ist das Zeichen dafür: jetzt bist du groß genug geworden. Jetzt bist du in dir so kräftig geworden, dass es Zeit ist. Jetzt ist es möglich, das, was da noch übrig ist von damals, das zu fühlen. Und das, was da übrig ist von damals, ist keine große Sache. Das Eingeschlossen sein, das Weggesperrt sein, das ist die große Sache. Die ist jetzt nicht mehr nötig, und deswegen wird sie heute zum Hindernis.

Aber dass du das heute beginnst zu fühlen, heißt: jetzt bist du bereit. Jetzt kannst du es fühlen.

Und du brauchst es nicht alleine machen. Wenn dir danach ist, dir Hilfe zu holen, dann hol dir die Hilfe, aber wisse, worum es wirklich geht. Meditiere, wenn dir danach ist. Und wisse: was da jetzt geschieht, ist etwas Gutes, etwas wirklich, wirklich Gutes. Wenn das Trauma anklopft, oder wenn die Trauer anklopft, oder wenn Verzweiflung anklopft, das sind fruchtbare Zeiten, gute Zeiten. Ich bin bei dir.

Danke, dass du da bist.

Ich liebe dich.